Tournee durch Kontinentaleuropa
Kunst und Auktionen, March 13, 2015
By Gunther JoppigStreichinstrumente richtet sein Augenmerk mehr und mehr auf den deutschen Markt. Benannt wurde das Unternehmen nach dem italienischen Sammler und Händler Luigi Tarisio (um 1790 – 1854), der zu seinen Lebzeiten eine Vielzahl von kostbaren Violinen zusammentrug. In seiner Sammlung befand sich eine makellose, ungespielte Stradivari-Geige von 1716, von der er seinen französischen Kollegen stets voller Stolz erzählte, die er aber niemand zeigte. Deshalb erhielt sie blasphemisch den Beinamen „Messias“ – weil der auch immer erwartet wird, aber niemals erscheint. Tarisio entwickelte sich seit 1999 – nach eigener Einschätzung – zum heute weltweit führenden Auktionshaus für seltene und feine Streichinstrumente und Streichbögen. Das junge Unternehmen revolutionierte den Streichinstrumentenmarkt erfolgreich durch eine Kombination effizienter Internetauktionen, gepaart mit großer Kennerschaft und ethischen Grundsätzen. Etwa zehn Auktionen werden in London und New York jährlich durchgeführt. Darüberhinaus vermittelt das Private Sales Department Anund Verkäufe von hochwertigen Stücken außerhalb des Auktionsgeschäfts. Außerdem nimmt das Unternehmen Wertschätzungen vor, betreibt einen Fachbuchshop und führt seit 2012 das von Phillip E. Margolis 2003 gegründete Cozio Archiv, benannt nach dem italienischen Geigenliebhaber und Sammler Conte Ignazio Alessandro Cozio di Salabue (1755– 1840). Es handelt sich um eine Datenbank, in der mehr als 2500 Geigenmacher, 30 000 Streichinstrumente und Bögen (dokumentiert durch mehr als 200 000 Fotos und über 13000 Dokumente und Expertisen) sowie 50 000 Auktionsergebnisse erfasst sind, die beständig aktualisiert werden. Gegen eine Subskriptionsgebühr von jährlich 100 Dollar ist der unbeschränkte Zugriff auf die Datenbank möglich.
Vor Kurzem präsentierte sich das Unternehmen unter Führung seines Direktors und Experten Jason Price im Hinblick auf die kommende Londoner Auktion mit einigen Highlights in Basel, Zürich, München und Berlin. Insbesondere in Deutschland sieht das Unternehmen ein steigendes Interesse von Sammlern und Investoren für hochwertige Streichinstrumente mit Wertsteigerungen von zwölf bis 15 Prozent im Jahr. Einen neuen Auktionsrekord erzielte das Haus im Juni 2011: Die mit 10 Millionen Dollar limitierte LadyBlunt Stradivari von 1721, eine der am besten erhaltenen Violinen aus der goldenen Periode des Meisters, spielte 15,9 Millionen ein.
Um einen Begriff davon zu erhalten, welche Wertsteigerungen StradivariViolinen erzielten, genügt ein Blick auf die Auktionsergebnisse der letzten 35 Jahre. 1979: 145 000 Pfund für „The Hubermann (Ex Kreisler) Stradivari“ von 1733 bei Sotheby’s. 1988: 473000 Pfund für „The Marie Hall Stradivari“ von 1709 bei Sotheby’s. 2001: 795 500 Pfund für „The Le Brun Stradivari“ von 1712 bei Sotheby’s. 2003: 767 200 Pfund für „The Ex Nachez Stradivari“ von 1716 bei Sotheby’s. 2005: 2 032 000 Dollar für „The Ex Lady Tennant Stradivari“ von 1699 bei Christie’s. 2006: 3 544 000 Dollar für „The Ex Hammer Stradivari“ von 1707 bei Christie’s. 2007: 2 728 000 Dollar für „The Solomon (Ex Lambert) Stradivari“ von 1729 bei Christie’s. 2010: 3,6 Millionen Dollar für „The Molitor Stradivari“ von 1697 bei Tarisio. 2012: 2,6 Millionen Dollar für „The Baron von der Leyen Stradivari“ von 1705 bei Tarisio. Vergleichbare Wertsteigerungen erreichen Streichbögen aus brasilianischem Pernambukholz der Caesalpinia echinata. Der Baum steht seit 1992 auf der Liste der bedrohten Pflanzenarten (s. KUA 11 / 2014, S. 44). Hier erzielen Exemplare französischer Bogenmacher die höchsten Preise, nachdem François Xavier Tourte (1747 / 48 – 1835) die optimale Gestaltung des Streichbogens entwickelt hatte. Der berühmte Geiger Yehudi Menuhin (1916 – 1999) besaß drei Tourte-Bögen, die 1999 bei Sotheby’s für 26400, 32200 und 36700 Pfund zugeschlagen wurden. Einer dieser Bögen erzielte 2010 bereits 42 000 Pfund.
Tarisio führte auf seiner Vorbesichtigungstour neben Streichinstrumenten von Guarneri, Rugeri (Abb.), Stainer, Fagnola, Rocca, und Tononi auch Streichbögen von Sartory und Tourte mit. Unter den Objekten befindet sich ein goldmontierter Bogen von Nikolas Kittel (1805 – 1868, Abb.) aus St. Petersburg, dessen Arbeiten sehr gesucht sind. Ein Bogen von Kittel aus der genannten Menuhin-Nachlass-Auktion erzielte mit Aufgeld 58 650 Pfund.
Am Schluss der Präsentationstour stand eine Ausstellung im Salle Boris Vian (Maison de France) bei KD 211:musique in Berlin. In einem „Gesprächskonzert“ am Abend stand die Bedeutung des Streichbogens im Mittelpunkt. Studenten der Musikhochschule „Hanns Eisler“ ließen mit eigenen Instrumenten und Bögen und solchen aus der Ausstellung Klangunterschiede hörbar werden, die Jason Price in englischer Sprache erläuterte.